Die ungewöhnliche Truppe marschierte zur Tür. Das war nicht leicht, denn überall lag Spielzeug im Weg herum.

Bevor er es verhindern konnte, kletterten die Piraten auf Toms Gitarre. Sie zerrten an den Saiten und grölten „Ulle ulle ulle leh, wir sind Piraten und fahr’n zur See“. Sie hörten erst auf, als der kleine Pirat von einer Saite in hohem Bogen durch die Luft geschleudert wurde.

„Vorsicht an der Tür“, sagte Tom. „Wenn meine Mutter jetzt reinkommt, haut sie uns damit glatt um!“

„Du Witzbold“, sagte der Pilot, „was glaubst du, was wir alles aushalten müssen, wenn du uns einfach so auf dem Boden rumliegen lässt, wo alle auf uns rumtrampeln können!“ - „Und was glaubst du, wem ich das Gipsbein verdanke“, meinte die Figur mit dem Gipsbein, und humpelte langsam hinter den anderen her.

„Oh, das tut mir Leid“, meinte Tom, „warte, ich habe doch noch die rote Postkutsche mit dem Cowboy.“ Und tatsächlich – unter dem Bett schlief der Cowboy neben dem braunen Pferd und der Kutsche. Er war froh, Tom auch mal wieder zu sehen, spannte schnell das Pferd ein, ließ zuerst das Gipsbeinmännlein und dann die anderen einsteigen, und los ging es.

Gut, dass die Tür einen Spalt auf war, so konnten sie gleich durch den Flur in die Küche fahren. Dort stand gerade die Tür zur Terrasse offen, Toms Mutter brachte nun anscheinend den Abfall selbst zur Mülltonne.

Weiter ging die Fahrt über die holprige Steinterrasse vorbei an Beeten mit riesigen bunten Blumen bis zu dem großen Gartenzwerg mit der Laterne.

„Hallo Zwerg“, sagte Tom, der noch auf dem Kutschbock saß. ‚Riese’ würde nun besser passen, dachte er noch. Er fragte sich, ob der Zwerg überhaupt lebt, so steif wie er dastand. Und tatsächlich, der Zwerg bewegte sich langsam und sah herüber.

„Was kann ich für euch tun?“, fragte er freundlich. Der Pilot rief: „Unser Freund braucht deinen Rat“, und Tom schilderte, wie er geschrumpft war.

Der Zwerg ließ sich genau schildern, was Tom in dem Moment tat, in dem er plötzlich zum Winzling wurde. Dann schwieg er lange, so dass die anderen immer ungeduldiger wurden. Endlich sprach er: „Du hast also gerade die Figur berührt, als du so klein wurdest und du hast dir etwas gewünscht. So etwas habe ich schon einmal gehört. Auf dem gleichen Weg könntest du auch alles, was seitdem passiert ist, wieder umkehren, wenn du es ganz genau so machst wie beim ersten Mal.“

„Danke Zwerg!“, sagte Tom. „Los Leute, schnell zurück, bevor meine Mutter zurückkommt und die Tür schließt!“

Der Cowboy schwang die Peitsche, und das Pferd legte sich ins Zeug. Durch die Küche ging es vorbei an der verdutzten, schlaftrunkenen Katze in den Flur und zurück ins Kinderzimmer.

„Brrr“, rief der Cowboy und stoppte vor dem Schreibtisch.

„Wir müssen noch mal da hoch“, meinte Tom, „da oben dürfte die Holzpuppe aus der Karibik noch liegen.“

„Au ja, wir kommen mit. Da können wir unser Fiff zu Ende bauen!“, jubelte der Pirat. Das Männchen mit dem Gipsbein seufzte: „Immer das Gleiche“, fing er gerade an, als der Cowboy meinte: „ich bleibe auch hier, dann musst du nicht alleine warten.“ Das Gipsbeinmännlein lächelte glücklich.

Als Tom oben angelangt war, standen die Anderen schon bei der geheimnisvollen Holzfigur. Der Pilot streckte die Hand aus, um sie zu berühren. Er schreckte aber zurück. „Nicht dass ich aus Versehen groß werde und all meine Freunde hier verliere!“

„Hallo Tom, du kennst doch die Stelle in dem schönen Film an der es heißt ‚Schau mir in die Augen, Kleiner’?“, flötete das Mädchen vom Zoo „bitte, bevor du wieder zum Riesen wirst!“

Tom achtete aber nicht auf sie, sondern wandte sich an die anderen Spiel­figuren, die ihn um ihn herum standen:

„Falls das wirklich klappt: Ich danke euch allen, dass ihr mir geholfen habt“, sagte er.

Er legte seine Hand auf die Holzpuppe, die nun so groß wie er selbst war, und sprach: „Ich wünsche mir, dass alles wieder so wird wie vor dem Moment, in dem ich so klein wurde.“ Aber nichts geschah.

Tom überlegte. Was hatte eben das Mädchen vom Zoo gesagt? 'Schau mir in die Augen' war es.

„Ich hab’s! Du hast es eben gesagt, 'in die Augen schauen', ich muss der Puppe in die Augen sehen!“
Er gab dem Mädchen vom Zoo einen stürmischen Kuss auf die Wange, so dass sie ganz rot wurde. Dann stellte er sich vor die Figur, schaute ihr in die funkelnden Augen und wiederholte seinen Wunsch.

Seine kleinen Freunde wurden umgeworfen, einen Moment lang war ihm schwindelig. 

 

Tom hörte seine Mutter rufen: „Thomas!“ 

Er sagte nichts, er wusste genau, was es bedeutet, wenn sie ihn bei seinem richtigen Namen rief. Mama war sicher sauer, weil er den Müll nicht 'raus gebracht und außerdem einfach sein Essgeschirr auf dem Tisch stehen gelassen hatte.

Irgend ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass er besser den Müll wie versprochen nach draußen bringen sollte, gerade jetzt, wo es so windig wurde, und Mutti sowieso schon verschnupft war..

Er legte seine aus Holz geschnitzte, geheimnisvolle Figur mit Augen aus funkelnden grünen Steinen, die sein Onkel Herbert ihm letzte Woche aus der Karibik mitgebracht hatte, auf den Tisch und stand auf.

 

Bevor er ging, öffnete er die unterste Schublade seines Schreibtischs. Die Figuren wollen sicher auch mal wieder an die Luft, dachte er. Vielleicht wünsche ich mir zum Geburtstag eine Ritterburg, fiel ihm noch ein. Er drehte die Piratengeist-Kassette im Recorder um, rief „ich komme, Mama“, und verließ das Zimmer.