Der Regen platschte an die Fensterscheiben. Draußen war ein Wetter – da hatte Tom zu nichts Lust. Als Mama ihn bat, den Müll raus zu bringen, verzog er sich stattdessen lieber ganz schnell in sein Zimmer.

Nun saß er am Schreibtisch vor seinen Rechen­aufgaben und träumte vor sich hin. Dabei hatte er gerade einmal drei Seiten in sein Heft geschrieben, das war nur die Hälfte der Aufgaben.

In der Hand hielt er eine aus dunklem Holz geschnitzte, geheimnisvolle Figur mit Augen aus funkelnden grünen Steinen, die sein Onkel Herbert ihm letzte Woche aus der Karibik mitgebracht hatte.

Tom untersuchte gerade dieses seltsame Funkeln in den grünen Augen der Puppe, als er seine Mutter rufen hörte: „Thomas!“ Er sagte nichts, er wusste genau, was es bedeutet, wenn sie ihn bei seinem richtigen Namen rief. Mama war sicher sauer, weil er nicht wie versprochen den Müll weggebracht und außerdem einfach sein Essgeschirr auf dem Tisch stehen gelassen hatte.

Ich wünschte, ich könnte einfach so verschwinden, dachte Tom – und plötzlich wurde ihm ganz schwindelig.

Er fühlt sich seltsam benommen. Als er sich umsah, bemerkte er hoch über sich einen großen Vorsprung, der vorher nicht da war. Als Tom sich in seinem Stuhl zurücklehnen wollte, um genauer hinzusehen, fiel er fast um – er spürte keine Lehne mehr in seinem Rücken.

Er drehte sich um, und sein Herz blieb vor Schrecken fast stehen: Neben ihm saß eine riesige Fliege – so groß wie eine Taube! Und nun flog die Fliege mit einem lauten Brummen knapp an seinem Kopf vorbei. Er warf sich flach auf den Bauch, um nicht von den riesigen durchsichtigen Flügeln gestreift zu werden.

Das konnte gar nicht sein, aber es gab keine andere Erklärung: Er war geschrumpft - er war jetzt nicht größer als eine Maus! Der Vorsprung über ihm war die Schreibtischplatte, und von dem Stuhl aus erschien ihm der Boden wie ein tiefer Abgrund.

Die Tür ging auf. Seine Mutter steckte den Kopf ins Zimmer und rief ärgerlich: „Thomas!“ Tom sprang auf die Beine und winkte mit beiden Armen. „Hier bin ich. Mama!“, rief er so laut er konnte, aber sie hörte sein leises Stimmchen nicht und verließ das Zimmer.

Hilflos hockte sich Tom an den Rand des Stuhls und überlegte, wie er hier herunterkommen könnte. Was für ein Glück, dass er seine Trainingsjacke wieder einmal nicht weggeräumt, sondern einfach über die Stuhllehne gehängt hatte! Vorsichtig griff er nach dem Reißverschluss der Jacke und kletterte an dessen Zacken langsam zum Boden hinunter.

Es war ganz schön stressig, so winzig zu sein – und gefährlich! Ich muss mich irgendwie bemerkbar machen, aber wie? dachte Tom. Er schmiedete einen Plan: Ich muss nur auf den Schreibtisch kommen, dann schreibe ich auf einen Zettel in Riesenbuchstaben, wo ich bin. Wenn Mama ihn dann sieht, wird sie Onkel Herbert um Rat fragen, und der hat immer eine gute Idee auf Lager.

Mit aller Kraft zog er die unterste Schublade des Schrankes unter seinem Schreibtisch auf. Vielleicht konnte er hier hinauf klettern. Als er die Schublade endlich ein Stück geöffnet hatte, sprangen seine vielen kleinen Spielzeug-Figuren heraus und riefen alle durcheinander: „Endlich lässt du uns hier wieder mal raus!“, schimpfte der Pirat. „Du hast seit Monaten nicht mehr mit uns gespielt“, beschwerte sich der Feuerwehrmann, während ein Männchen mit Gipsbein sagte: „Und so soll man gesund werden!“

„Schau mir in die Augen, Kleiner“, schwärmte das Mädchen aus dem Zoo, „endlich kann ich dir mal sagen wie toll ich deine braunen Augen finde!“

 

Tom war sprachlos vor Erstaunen. Seine Spielzeugmännchen konnten sprechen! Einer nach dem anderen kletterte aus der Schublade. Der Hubschrauberpilot schimpfte „Jetzt bist du ja genauso klein wie wir, da kannst du unseren Hubschrauber ja gar nicht mehr fliegen lassen!“